Reports sind oft moderne Palimpseste.

Im Mittelalter haben Mönche ihre Texte häufig auf bereits beschriebenen Pergamenten verfasst. Denn Pergament war teuer und selten, so dass man es mehrfach nutzte. Auf diese Weise sind Dokumente wieder und wieder überschrieben worden. Manchmal sind Teile alter Texte unter dem jeweils neuesten noch sichtbar. Palimpseste heißen diese Manuskripte, die die Spuren mehrerer Textschichten tragen.

Schichten von Text, die einander überlagern: Palimpseste gibt es nicht nur aus dem Mittelalter.

Schichten von Text, die einander überlagern: Palimpseste gibt es nicht nur aus dem Mittelalter.

Die Schatten alter Versionen

Copy und Paste machen aus manchen Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten ebenfalls Palimpseste. Da liegen die Schatten alter Versionen unter den neueren, da verflechten sich die Formulierungen von Generationen unterschiedlicher Fachreferenten zu einem undurchdringlichen stilistischen Dschungel, da setzen Texte Jahresringe an statt frischen Grüns.

Woran liegt das? Zum einen sind komplexe Berichte aus Beiträgen verschiedener Abteilungen zusammengesetzt. Zum zweiten enthalten sie oft bewährte, längst abgestimmte Textbausteine. Beides führt dazu, dass die Diskussion und Freigabe neuer Formulierungen, ganz zu schweigen von neuen logischen Ansätzen oder Gliederungen des Dokumentes, aufwändig und langwierig ist.

Kommunikationsbeauftragte, die die Qualität von Berichtstexten ändern wollen, setzen sich Risiken aus: Es droht die Auseinandersetzung mit Fachreferenten, die ihre Berichtsbeiträge als verbindlich betrachten. Auch Vorstände sehen es ungern, wenn die sorgfältig abgestimmten Formulierungen von Leitlinien oder Strategiezielen aufgrund stilistischer Bedenken auf den Prüfstand sollen.

Für bessere Lesbarkeit kämpfen

Was spricht dafür, dennoch den Kampf für bessere Berichtstexte aufzunehmen? Ganz klar: die Lesbarkeit.

Text ist sinnlos, wenn er nicht verstanden werden will. Er muss das Ziel haben, den Lesern etwas für sie Relevantes auf interessante und verständliche Art mitzuteilen. Ist Text langweilig, hohltönend, schwerfüßig, wird er nicht gelesen. Dann ist er einfach nur da.

Manchen Unternehmen geben sich damit leider zufrieden. Sie betrachten ihre Berichte als Pflichtaufgaben. Lesen soll das ohnehin niemand.

Das ist schade. Denn immerhin verlangen Berichte einen beträchtlichen Aufwand an Kosten und Arbeit. Diese Investitionen zahlen sich besser aus, wenn die Reports nicht nur formale Kriterien erfüllen, sondern kommunikativen Mehrwert erzeugen. In jedem CSR- oder Geschäftsbericht steckt die Chance, Stories zu erzählen, die auf Markenführung und Unternehmensimage einzahlen.

Palimpseste verbergen Hinweise auf verborgene Schätze

Jahres- und Nachhaltigkeitsreports bieten die umfassende Perspektive über alle Geschäftsfelder, über Standorte und Märkte, über die Entwicklung eines Unternehmens im Lauf der Zeit. Wo, wenn nicht hier, finden sich die Ansätze für die Stories, die ein Unternehmen erzählen kann, damit es für Außenstehende lebendig wird, Profil und Charakter gewinnt?

Es lohnt sich, das herauszuarbeiten und in spannende Geschichten umzusetzen. Wer in den Sedimenten, in den Ablagerungen der Berichte gräbt, wird Schätze finden.